
Von links: Colnneach McCabe, Heike Ahrens, Inga Epping, Jonathan Gangman und Angelika Mölbert diskutieren über Unterstutzung von Migranten durch ehrenamtliches Engagement
„Ohne Freiwillige läuft nichts"
Diskusionsrunde zur Bedeutung von freiwilligem Engagement zur Unterstützung der Integration
Welche Bedeutung hat freiwilliges Engagement für die Integration? Wie engagieren sich Deutsche für Migranten, wie engagieren sich die Migranten selbst? Was leisten Freiwillige und was leisten hauptamtliche Engagierte in Vereinen und Wohlfahrtsverbänden, und wie arbeiten die beiden Gruppen zusammen? Diese und andere Fragen diskutierten ehrenamtlich und hauptamlich Engagierte in Freiwilligen-Agentur der Paritätischen Dienste. Heike Arens stellte folgende Fragen
Laut einer Statistik des Einwohner melderegisters Freiburg stammen 12,6Prozent der hier gemeldeten Bürger aus anderen Ländern . Welche Rolle spielt nach ihrer Meinung und Erfahrung freiwilliges Engagement bei da Integration dieser Migrantinnen und Migranten?
Colnneach McCabe : Nach meiner Erfahrung spielt das eine wichtige Rolle, sowohl das freiwillige als auch das hauptamtliche Engagement. Für besonders wichtig halte ich die Vereine, und hier insbesondere die Sportvereine, da sie die Integration sozusagen nebenher leistet. In Großbritannien, wo ich herkomme, wurde die Akzeptanz von Migranten über die Fußballvereine sehr befördert. Diesem Bereich wird hier bisher noch zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet.
Angelika Mölbert: Hauptamtlich und freiwillig Engagierte arbeiten bei uns zusammen. Institutionen wie der »Südwind" verfügen über geschulte Leute, die Freiwillige anleiten und koordinieren können - bei Südwind arbeiten zur Zeit insgesamt 14 Freiwillige in Alphabetisierungs- und Sprachkursen, davon fünf Lehrer und nur eine Honorarkraft, die die Koor-dinationsarbeit macht Aber die Migranten sind auch selbst in sozialen Netzwerken aktiv, die oft im Verborgenen arbeiten. Wichtig ist es, dass wir und andere Organisationen den Kontakt zu diesen Migranten-Netzwerken aufbauen, da sie zwar sehr viel nützliche Arbeit leisten, aber bei vielen Problemen - zum Beispiel in der Altenarbeit oder bei schulischen Problemen - überfordert sind. Von selbst kommen sie jedoch nur selten auf deutsche Einrichtungen zu, um Hilfe zu suchen und vermitteln uns so den - falschen - Eindruck, es bestünde kein Bedarf an Unterstutzung. Deshalb müssen wir - Vereine wie unserer, aber auch Wohlfahrstverbände und Kommunen - noch mehr, als das bisher geschieht, von uns aus auf diese Gruppen zugehen. Durch eine solche Zusammenarbeit kann man zu Bescheidenen Kosten viel bewegen.
McCabe: Vor allem Migranten aus der Gastarbeitergeneration sind eher zurückhaltend und wollen keine Ansprüche an die deutsche Gesellschaft richten. Viele wissen auch gar nicht, welche Hilfsmöglichkeiten es überhaupt gibt.
Jonathan Gangman: Andererseits dürfen wir Migranten nicht erwarten, dass man uns mit offenen Armen empfängt. Wir müssen auch selbst etwas tun, um diese Distanz zu überwinden, und dürfen nicht nur auf Integrationsangebote der deutschen Gesellschaft warten. In meiner Arbeit mit afrikanischen Landsleuten war mir immer wichtig, dass die Leute vor die Tür gehen und selbst aktiv werden. Das schafft auch mehr Selbstbewusstsein, und wer seibstbewusst auftritt, löst positive Reaktionen bei anderen aus und wird leichter akzeptiert. Manche denken immer noch, Integration bedeutet, dass immer ein Deutscher dabei sein und uns unterstützen muss. Das ist Unsinn -wir müssen die Sache selbst in die Hand nehmen- Da haben wir allerdings noch eine Menge zu tun.
Inga Epping: In dieselbe Richtung geht meine Erfahrung mit den Sprachkursen für ausländische Frauen, die ich betreut habe. Vor allem praktische Kenntnisse helfen den Migrantinnen, deshalb trainieren wir mit den Frauen regelmäßig Alltagssituationen -zum Beispiel gehen wir mit ihnen zum Arbeitsamt oder in die Schule. Und wir ermutigen sie, Fragen zu stellen und Kontakte zu knüpfen. Der Erwerb der deutschen Sprache ist naturlich eine wesentliche Voraussetzung für mehr Offenheit und Selbst-bewusstsein, deshalb spielt die Alphabetisierung und Sprachvermittlung in unserer Arbeit eine zentrale Rolle. Ein anderes Angebot, das ebenfalls auf die Stärkung des Selbstvertrauens von Migrantinnen zielte, sind ein Fahrrad- und ein Schwimmkurs für muslimische Frauen.
Angelika Mölbert: Eigeninitiative ist kein Problem mehr bei der zweiten und dritten Generation der Zuwanderer, die sind relativ gut ausgebildet und von sich aus sehr engagiert im kulturellen oder sportlichen Bereich. Die Jüngeren sind aus der Erfahrung ihrer eigenen Integration und der ihrer Eltern auch sehr sensibel für die Probleme der Migranten. Interessant ist auch die gemischte, .hybride" Identität, die diese Generation entwickelt hat und die auch die einheimische Gesellschaft verändert und bereichert - so entsteht etwas ganz Neues, Interessantes, das nichts mehr mit dem Klischee des Gastarbeiters zu tun hat. Viele sind engagiert und auch in kultureller Hinsicht-zum Beispiel in Theaterprojekten- aktiv und
vertreten ihre besondere Identität mit Selbstbewußtsein. Schwer tun sich hingegen die Alteren, die erste Generation der Zuwanderer insbesondere wenn sie den unteren sozialen Schichten angehören. Diese können wir mit unserer Arbeit kaum erreichen,
McCabe: Viele Probleme sind eher sozial bedingt und gar nicht kultur- oder migrantenspezifisch. Auch die Bedürfnisse von Menschen ohne Migrationshintergrund sind oft nicht anders. Deshalb darf sich unser Engagement nicht auf bestimmte Herkunftskulturen konzentrieren, sondern muss gruppenübergreifend sein.
Ja, gerade wenn es um Bildungs und Schulprobleme geht, findet man ähnliche Probleme auch unter Deutschen, das ist ja ein großes Thema in letzter Zeit. Aber ich möchte nochmal auf die Rolle von freiwilligem Engagement in Institutionen zurückkommen: Wie wichtig ist zum Beispiel für Sie beim „Südwind" die Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen?
MöLbert: Ohne Ehrenamtliche läuft bei ans in der Frauenarbeit nichts - in diesem Bereich arbeitet eine Honorarkraft mit 14 Freiwilligen zusammen, Ähnliche Verhältnisse gelten auch für viele Projekte anderer Organisationen, Die Freiwilligen alleine können andererseits auch nicht viel bewirken, wenn sie nicht professionell angeleitet und koordiniert werden. Umso unverstandlicher ist es für mich, dass solche Koordinationsstellen kaum mehr finanziert werden. Denn mit jeder Stelle, die entfällt, bricht meist auch eine ganze Kette von Freiwilligen zusammen. Es blutet einem schon das Herz, wenn man mit ansehen muss, wie deshalb ganze Arbeitsbereiche eingestellt werden müssen - manchmal nur, weil für eine halbe Stelle keine Mittel bewilligt werden.
Zum Schluss noch die Frage nach Ihren persönlichen Erfahrungen: Welche Unterstützung war für Sie wichtig, um sich in der deutschen Gesellschaft zurechtzufinden?
Gangman: Als ich aus Ghana nach Stuttgart kam, waren es vor allem intensive Kontakte mit meinen damaligen Arbeitskollegen, die mir sehr geholfen haben. Aber ich bin auch selbst immer sehr aktiv gewesen, habe zum Beispiel Musik gemacht und Veranstaltungen organisiert, um den Deutschen die afrikanische Kultur näher zu bringen.
McCabet: Auch bei mir - ich bin vor vielen Jahren aus Glasgow nach Freiburg gekommen - war es vor allem der Freundeskreis, der mich unterstützt hat . Aber natürlich hängt auch sehr viel davon ab, in welcher Situation man hierher kommt und welche sozialen Schicht man angehört Studenten zum Beispiel kommen in der Regel problemlos zarecht. Auch als EU-Ausländer hat man es hier schon leichter - obwohl die Bürokratie am Anfang auch für mich eine gewisse Hürde war.
Epping: Ich bin zwar keine Migrantin, aber auch für mich als Nord deutsche war es eine Umstellung als ich hierher ins Badische kam auch wenn ich mich dann schnell eingewöhnt habe. Ich kann deshalb gut nachfühlen, was es heißt, fremd zu sein. Deshalb wollte ich nach meiner Pensionierung auch gern et- was für Migrantinnen tun, ihnen helfen, sich hier leichter einzuleben. Und es macht mir unheimlich viel Spaß. Natürlich ist es auch mit sehr viel Arbeit verbunden, und es bleibt selten bei der Anzahl von Einsatz stunden, die man sich selbst als Ziel gesetzt hat. Man fühlt sich einfach in der Verantwortung für andere, zum Beispiel wenn jemand gerade ein Problem mit einer Behörde hat order krank ist. Aber ich bekomme auch so viel zurück, sodass ich nur jedem empfehlen kann, sich freiwillig zu engagieren!
Mölbert: Auch ich habe - während eines Studienaufenthalts in Damaskus - das Gefühl des Fremdseins kennen gelernt. Allerdings hat mir damals die spontane Hilfsbereitschaft der Syrer sehr geholfen, die man hierzulande leider nicht in der Form findet. Das ist schade, denn dieses spontane, persönliche Engagement des Einzelnen kann keine Institution ersetzen.
Gangman: (lachend): Stimmt, aber daran wird man wohl nicht viel ändern können. Viele Deutsche haben eben immer noch Angst vorm schwarzen Mann... Text: rh, al
Teilnehmer der Diskusionsrunde:
Colnnnach McCabe,Gemeinderat und seit fünf Jahren Mitglied des Freiburger Ausländerbeirats(Jetzt ,Migrationsbeirat)
Inga Epping, freiwillig Engagierte bei Südwind Freiburg e,V„ betreut seit zwei Jahren einen Alphabetisierungskurs.
Angelika Mölbert, Geschäftsführerin Südwind Freiburg e.V., Verein für sozial und intertculturelle Arbelt, Mitglied im Migrationsausschuss der Stadt Freiburg.
Jonathan Gangman, Bürgermentor und langjährig Engagieter, unterstützt afrikanische Migranten (zum Beispel bei Behördengänge)
und moderiert seit 1988 englischsprachige Sendungen bei Radio Dreyeckland, Freiburg (RDL);
Heike Arens, Leiterin Freiburger Freiwilligen Agentur